Ausnahmen von der Mietpreisbremse: Wann die 10-Prozent-Regel nicht gilt
Die Mietpreisbremse begrenzt die Miete bei Neuvermietungen auf maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Doch das Gesetz kennt wichtige Ausnahmen, bei denen Vermieter höhere Mieten verlangen dürfen. Diese Ausnahmen sind häufig Streitpunkt zwischen Mietern und Vermietern und entscheiden oft darüber, ob eine Miete rechtmäßig ist oder nicht. Dieser Artikel erklärt die wichtigsten Ausnahmen im Detail.
Inhalt
- Warum gibt es Ausnahmen von der Mietpreisbremse?
- Erstvermietung nach umfassender Modernisierung
- Neubau und Erstvermietung
- Vormiete über dem Bremsniveau
- Möblierte Wohnungen
- Luxusausstattung und gehobener Standard
- Beweislast und praktische Durchsetzung
- Fazit: Ausnahmen erfordern genaue Prüfung
Warum gibt es Ausnahmen von der Mietpreisbremse?
Der Gesetzgeber hat bewusst Ausnahmen geschaffen, um bestimmte Situationen zu berücksichtigen: Vermieter sollen Anreize für Investitionen in den Wohnungsbau und die Modernisierung behalten. Gleichzeitig soll verhindert werden, dass bereits hohe Mieten durch die Mietpreisbremse künstlich gesenkt werden müssen.
Diese Ausnahmen sind jedoch eng begrenzt und müssen vom Vermieter nachgewiesen werden. Beruft sich ein Mieter auf die Mietpreisbremse, trägt der Vermieter die Beweislast dafür, dass eine Ausnahme vorliegt.
Erstvermietung nach umfassender Modernisierung
Was gilt als umfassende Modernisierung?
Eine der wichtigsten Ausnahmen betrifft Wohnungen, die umfassend modernisiert wurden. Bei der Erstvermietung nach einer solchen Modernisierung kann die Miete frei vereinbart werden – die Mietpreisbremse gilt nicht.
Gesetzliche Definition: Eine Modernisierung gilt als umfassend, wenn die Modernisierungskosten mindestens ein Drittel des Kaufpreises entsprechen, der für ein vergleichbares Gebäude bei der Neuerrichtung aufzuwenden wäre.
Beispielrechnung:
- Neubaukosten für vergleichbares Gebäude: 300.000 Euro
- Mindestmodernisierungskosten für "umfassend": 100.000 Euro (ein Drittel)
- Tatsächliche Modernisierungskosten: 120.000 Euro
- Ergebnis: Umfassende Modernisierung liegt vor
Welche Maßnahmen zählen zur Modernisierung?
Nicht jede Renovierung ist eine Modernisierung im rechtlichen Sinne. Modernisierung bedeutet eine Verbesserung der Wohnung, die über die normale Instandhaltung hinausgeht.
Typische Modernisierungsmaßnahmen:
- Einbau neuer Heizungsanlagen oder Wärmedämmung
- Modernisierung von Bädern und Küchen
- Erneuerung der Elektroinstallation
- Einbau von Aufzügen oder Balkonen
- Schallschutzmaßnahmen
Keine Modernisierung:
- Schönheitsreparaturen (Streichen, Tapezieren)
- Austausch defekter Geräte ohne Verbesserung
- Normale Instandhaltung und Reparaturen
Abgrenzungsprobleme in der Praxis
Die Abgrenzung zwischen umfassender Modernisierung und normaler Instandhaltung ist oft streitanfällig:
Energetische Sanierung: Oft umstritten ist, ob energetische Maßnahmen als Modernisierung oder als notwendige Instandhaltung zu bewerten sind. Entscheidend ist, ob eine echte Verbesserung des Standards erreicht wird.
Teilmodernisierung: Werden nur einzelne Bereiche modernisiert (z.B. nur das Bad), kann dies trotzdem als umfassende Modernisierung gelten, wenn die Kostenschwelle erreicht wird.
Zeitlicher Zusammenhang: Die Modernisierungsmaßnahmen müssen in einem zeitlichen Zusammenhang stehen. Über Jahre verteilte Einzelmaßnahmen können meist nicht zusammengerechnet werden.
Neubau und Erstvermietung
Wann liegt ein Neubau vor?
Bei der erstmaligen Vermietung von Neubauten gilt die Mietpreisbremse grundsätzlich nicht. Die Miete kann frei vereinbart werden.
Definition Neubau: Als Neubau gelten Gebäude, die zum ersten Mal vermietet werden. Dabei kommt es nicht auf das Baujahr an, sondern darauf, ob die Wohnung bereits einmal vermietet war.
Beispiele für Neubau:
- Neu errichtete Wohngebäude bei Erstvermietung
- Umwandlung von Gewerbeimmobilien in Wohnraum
- Dachgeschossausbauten, die erstmals Wohnraum schaffen
Abgrenzungsfälle beim Neubau
Wiederaufbau: Wird ein Gebäude vollständig abgerissen und neu errichtet, gilt dies als Neubau – auch wenn sich am gleichen Standort vorher schon eine Wohnung befand.
Kernsanierung: Die komplette Entkernung und Neuerrichtung eines Gebäudes kann als Neubau gewertet werden, wenn nur die äußeren Mauern erhalten bleiben.
Anbau und Aufstockung: Neue Wohnungen durch Anbau oder Aufstockung bestehender Gebäude gelten als Neubau, auch wenn das Hauptgebäude bereits vermietet war.
Vormiete über dem Bremsniveau
Die Bestandsschutz-Regel
Eine weitere wichtige Ausnahme betrifft Fälle, in denen die Vormiete bereits über dem durch die Mietpreisbremse zulässigen Niveau lag.
Grundregel: War die letzte Miete vor der Neuvermietung bereits höher als die nach der Mietpreisbremse zulässige Miete, darf diese Vormiete auch bei der Neuvermietung verlangt werden.
Beispiel:
- Ortsübliche Vergleichsmiete: 10 Euro/m²
- Zulässige Miete mit Mietpreisbremse: 11 Euro/m² (10 Euro + 10%)
- Vormiete: 12 Euro/m²
- Zulässige Neuvermietungsmiete: 12 Euro/m² (Vormiete)
Wichtige Einschränkungen
Keine Erhöhung möglich: Die Vormiete darf übernommen, aber nicht weiter erhöht werden. Eine Miete von 12 Euro/m² darf nicht auf 13 Euro/m² angehoben werden.
Nachweis erforderlich: Der Vermieter muss die Höhe der Vormiete nachweisen können – etwa durch den vorherigen Mietvertrag oder Kontoauszüge.
Zeitliche Nähe: Die Vormiete muss aus einem zeitlich nahen Mietverhältnis stammen. Bei längerem Leerstand kann diese Ausnahme entfallen.
Streitfälle bei der Vormiete
Scheinmietverhältnisse: Manchmal versuchen Vermieter, durch kurzfristige Scheinmietverhältnisse mit hohen Mieten die Vormiete künstlich zu erhöhen. Solche Konstruktionen sind rechtlich unwirksam.
Möblierte Vormiete: War die Vorwohnung möbliert vermietet, muss der Möblierungszuschlag bei unmöblierter Neuvermietung abgezogen werden.
Verschiedene Wohnungsgrößen: Bei Änderung des Wohnungsschnitts (z.B. Zusammenlegung von Wohnungen) ist die Berechnung der relevanten Vormiete oft streitanfällig.
Möblierte Wohnungen
Besonderheiten bei möblierten Wohnungen
Möblierte Wohnungen nehmen eine Sonderstellung ein, da hier neben der reinen Wohnungsmiete auch ein Entgelt für die Möblierung anfällt. Die Mietpreisbremse gilt grundsätzlich auch für möblierte Wohnungen, aber mit wichtigen Modifikationen.
Grundprinzip: Die Kaltmiete (ohne Möblierungszuschlag) darf die Mietpreisbremse nicht überschreiten. Für die Möblierung kann ein angemessener Zuschlag verlangt werden.
Beispielrechnung:
- Ortsübliche Vergleichsmiete (unmöbliert): 10 Euro/m²
- Zulässige Kaltmiete mit Mietpreisbremse: 11 Euro/m²
- Angemessener Möblierungszuschlag: 2 Euro/m²
- Zulässige Gesamtmiete: 13 Euro/m²
Was gilt als angemessener Möblierungszuschlag?
Die Höhe des Möblierungszuschlags hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Art und Umfang der Möblierung:
- Vollmöblierung (alle Räume komplett eingerichtet): höherer Zuschlag
- Teilmöblierung (nur einzelne Möbelstücke): niedrigerer Zuschlag
- Qualität und Zustand der Möbel
Übliche Zuschläge in der Praxis:
- Vollmöblierung: 15-25% der Grundmiete oder 1-3 Euro/m²
- Teilmöblierung: 5-15% der Grundmiete
Berechnung nach Zeitwert: Der Zuschlag sollte sich am aktuellen Zeitwert der Möbel orientieren, nicht am ursprünglichen Kaufpreis.
Abgrenzungsprobleme bei möblierten Wohnungen
Einbauküche: Eine Einbauküche allein macht eine Wohnung noch nicht zur möblierten Wohnung. Oft wird hier nur ein geringer Zuschlag akzeptiert.
Gebrauchsgegenstände: Nicht jeder in der Wohnung belassene Gegenstand rechtfertigt einen Möblierungszuschlag. Entscheidend ist der Wert für den Mieter.
Befristete vs. unbefristete Mietverhältnisse: Bei befristeten Mietverhältnissen werden oft höhere Möblierungszuschläge akzeptiert, da der Vermieter weniger Planungssicherheit hat.
Luxusausstattung und gehobener Standard
Wann liegt Luxusausstattung vor?
Eine weitere, in der Praxis seltener angewandte Ausnahme betrifft Wohnungen mit Luxusausstattung. Hier kann die Miete über der Mietpreisbremse liegen, wenn die Ausstattung erheblich über dem ortsüblichen Standard liegt.
Typische Luxusmerkmale:
- Hochwertige Materialien (Marmor, Parkett aus Edelholz)
- Besondere technische Ausstattung (Smart Home, Klimaanlage)
- Außergewöhnliche Raumaufteilung oder Deckenhöhen
- Exklusive Lage (Penthouse, direkter Seezugang)
Schwierige Abgrenzung
Die Abgrenzung zwischen gehobenem Standard und Luxusausstattung ist oft umstritten und hängt stark vom örtlichen Markt ab. Was in einer Stadt als Luxus gilt, kann in einer anderen zum normalen gehobenen Standard gehören.
Beweislast und praktische Durchsetzung
Wer muss was beweisen?
Ein entscheidender Punkt für Mieter: Die Beweislast liegt beim Vermieter. Beruft sich ein Mieter auf die Mietpreisbremse, muss der Vermieter beweisen, dass eine Ausnahme vorliegt.
Typische Nachweise des Vermieters:
- Bei Modernisierung: Rechnungen, Kostenaufstellungen, Nachweise der Neubaukosten
- Bei Neubau: Baugenehmigung, Erstbezugsdokumentation
- Bei Vormiete: Alter Mietvertrag, Mietquittungen
- Bei Möblierung: Inventarliste mit Zeitwerten
Praktische Tipps für Mieter
Kritisch prüfen: Lassen Sie sich nicht von pauschalen Behauptungen des Vermieters abschrecken. Verlangen Sie konkrete Nachweise.
Dokumentation fordern: Bitten Sie um schriftliche Belege für behauptete Ausnahmen.
Fachliche Unterstützung: Bei komplexen Fällen (besonders Modernisierung) kann ein Sachverständiger helfen, die Angaben des Vermieters zu überprüfen.
Zeitnahe Rüge: Auch bei vermuteten Ausnahmen sollten Sie die Mietpreisbremse rügen, falls Sie Zweifel haben.
Fazit: Ausnahmen erfordern genaue Prüfung
Die Ausnahmen von der Mietpreisbremse sind komplex und oft streitanfällig. Vermieter müssen das Vorliegen einer Ausnahme beweisen können – pauschale Behauptungen reichen nicht aus.
Für Mieter ist wichtig: Lassen Sie sich nicht vorschnell von der Berufung auf Ausnahmen abschrecken. Viele vermeintliche Ausnahmen halten einer genauen rechtlichen Prüfung nicht stand. Die umfassende Modernisierung, der Neubau oder die Vormiete müssen konkret nachgewiesen werden.
Bei Zweifeln lohnt sich die Beratung durch Mietervereine oder Rechtsanwälte. Die Ausnahmen sind so komplex, dass auch erfahrene Juristen oft unterschiedlich bewerten.
Die Mietpreisbremse bleibt auch mit ihren Ausnahmen ein wichtiges Instrument für Mieter – vorausgesetzt, sie wird richtig angewendet und durchgesetzt.
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel dient ausschließlich der Information und stellt keine Rechtsberatung dar. Die Bewertung von Ausnahmen zur Mietpreisbremse ist oft komplex und erfordert eine Einzelfallprüfung. Bei konkreten rechtlichen Fragen wenden Sie sich bitte an einen Rechtsanwalt oder eine qualifizierte Beratungsstelle. Rechtliche Regelungen können sich ändern, weshalb immer die aktuelle Rechtslage zu prüfen ist.